1) Einstieg:
Welches seit dem Jahr 2010 fertiggestellte Gebäude in Karlsruhe, erachten Sie als besonders wertvoll für die Stadt und warum?
Das Kaiserkarree an der Nordseite des Marktplatzes, das das Volksbank-Gebäude aus den 1960er Jahren ersetzt hat. Warum ? Es fügt sich harmonisch in das Ensemble der Weinbrenner-Bauten am Marktplatz ein. Der Marktplatz liegt in der geografischen Mitte der von Weinbrenner bis heute maßgeblich geprägten Innenstadt. Dieses von Weinbrenner geprägte Stadtbild ist identitätsstiftend sowohl für die Bürger, die hier leben, als auch für die Gäste, die in unsere schöne Stadt kommen. Es sollte daher nur behutsam verändert werden.
Natürlich muss es aber eine Balance geben zwischen Tradition und neuen baulichen Akzenten. Denn unsere Stadt braucht auch neue architektonische Impulse; sie ist kein Museum.
Daher ist es auch wichtig, etwa am Ettlinger Tor in Nachbarschaft zum neu zu überplanenden Areal des Landratsamts neue architektonische Akzente zu setzen. Durch das Einhalten der Weinbrennerschen Blickachsen wird sichergestellt, dass sich die neue Bebauung gut ins bisherige Ensemble der Gebäude in der Innenstadt einfügt.
2) Stadtplanung:
Das nächste dicke Brett
Der Umbau der Innenstadt ist in der Zielgeraden und wird innerhalb der nächsten Jahre ihren Abschluss finden. Und somit das größte Städtebauliche Projekt der vergangenen Jahrzehnte in Karlsruhe.
Welches große Thema soll nach Ihrer Meinung als nächstes angegangen werden?
Die Karlsruher Innenstadt war infolge der Kombilösung in den letzten knapp 10 Jahren eine einzig große Baustelle. Darunter hat deren Attraktivität sowohl für unsere Bürger als auch für unsere Gäste stark gelitten – und dadurch natürlich auch der dort ansässige Handel, der große Einbußen infolge fernbleibender Kundschaft zu beklagen hatte. Weiterhin wird die sich abzeichnende hohe Verschuldung der Stadt künftige Bautätigkeiten der Stadt stark einschränken. Ist es unter diesen Umständen sinnvoll, gleich über das nächste große städtebauliche Projekt nachzudenken? Ich sage nein, wir müssen erst einmal innehalten, um unseren Bürgern und Gästen die Möglichkeit zu geben, sich an die Veränderungen unserer Stadt zu gewöhnen und diese Veränderungen schätzen zu lernen. Planungen dürfen nicht zum Selbstzweck werden, sondern müssen immer den Menschen dienen, die das Ganze nicht nur mit ihren Steuern ermöglichen, sondern am Ende auch annehmen und bevölkern sollen.
3) Region:
Stadt der kurzen Wege, weit reichend
Karlsruhe rühmt sich als Stadt der kurzen Wege. Und ist zeitgleich der Pulsgeber der gesamten Region über Landes- und Ländergrenzen hinaus. Dies erfordert die enge Kommunikation mit den Nachbargemeinden und bestenfalls eine gemeinsame Planung.
Welche konkreten Maßnahmen vermissen Sie und welches Ziel verfolgen Sie in deren Umsetzung?
Wenn Karlsruhe für die angrenzenden Nachbarregionen ein attraktives Zentrum bleiben will, muss es über sämtliche Verkehrsmittel gut erreichbar sein. Die von der Stadt betriebene Politik, unsere Straßen für den Autoverkehr unattraktiv zu machen, muss beendet werden. Die Anbindung der neuen 2. Rheinbrücke muss selbstverständlich planerisch in mit den Interessen unserer Nachbarn in der Pfalz abgeglichen werden. Zur guten Erschließung unserer Stadt gehört auch der Bau der Radfernwege, der nun angegangen wird.
4) Nachhaltigkeit / Ökologie I:
Der Klimawandel nimmt an Schnelligkeit und Umfang ständig zu:
Wir werden mit verstärkten Überhitzungsproblemen in der gesamten verdichteten Innenstadt zu rechnen habe. Schon heute liegen die Temperaturen schon 6° und mehr über den Temperaturen am Stadtrand. Nach Expertenberechnungen wird dies auf 10° – 12ºC binnen weniger Jahre ansteigen, sollte nicht aktiv dagegen vorgegangen werden. Städte wie Mailand und Singapur sind dabei einen umfassenden Umbau der bestehenden, ‚grauen’ Infrastruktur von Straßenräumen und Gebäuden in eine ‚grüne’ umzusetzen.
Welche Möglichkeiten sehen sie, dies Problem in Karlsruhe umfassend anzugehen?
Wollen wir in Karlsruhe das Mikroklima in heißen Sommermonaten mildern, müssen wir alle Baumaßnahmen, die eine bauliche Verdichtung und eine Überbauung bisher freier Flächen bedeuten, kritisch hinterfragen. Denn Verdichtung und Neuüberbauung färben unsere an sich grüne Stadt, bildlich gesprochen, mehr in grau ein. Besonders wichtig ist, dass Frischluftschneisen offen gehalten bzw. wieder frei gemacht werden, die kühle Luft aus dem Hardtwald, vom Schwarzwald oder vom Rhein her in die Innenstadt leiten.
Weiterhin sollten die bestehenden Grün- und Parkanlagen dahingehend untersucht werden, ob nicht z. B. durch eine Erhöhung des Baumbestands Verbesserungen des Mikroklimas erreicht werden können. Aus demselben Grund sollte geschlossene Blockrandbebauung künftig vermieden werden.
5) Nachhaltigkeit / Ökologie II:
Energiewandel – Die Stadt als kleinster Nenner des großen Ganzen
Der tatsächliche Energieverbrauch für die Herstellung von Waren, Produkten und Betrieb von Gebäuden und Fahrzeugen ist trotz bzw. wegen einer Effizienzsteigerungen um 30 % in den letzten Jahrzehnten nicht gesunken, sondern – nach Angabe n des EU-Referates Energie und Gebäude – um 30% gestiegen.
Nach vorliegenden Berechnungen von Forschungsinstituten (Potsdam Institut für Klimafolgenforschung u.a.) wird allein die Umstellung auf Elektromobilität ein weiterer zusätzlichen Energiebedarf und -verbrauch von 30% verursachen, ebenso wie die so nötige Digitalisierung von Wirtschaft und Wissenschaft, Bildung und Kommunikation.
Der Beirat der Nationalen Wissenschaftsakademien der EU, Norwegens und der Schweiz easac hat in seinem aktuellen Bericht betont, dass die bislang erreichten Emissionsreduktionen bei Weitem nicht ausreichen und einen „Paradigmenwechsel zu einem nachhaltigen Umbau der Wirtschaft und das Adressieren der Treiber der unnachhaltigen Produktionsmuster in der Energie-, der Bau- und der Mobilitätsbranche sowie der Landwirtschaft“ gefordert.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene (z.B. im Deutschen Städtetag) hierzu konkrete Forderungen einzubringen?
Eine solche Forderung, die ich bereits in den Gemeinderat eingebracht habe und die man dann auch in den Städtetag hätte einbringen können, war die nach dem Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Philippsburg 2, das jährlich eine Freisetzung von bis zu 11 Millionen t CO2 verhindert hat. Dergleichen könnte man in Bezug auf Neckarwestheim II, Gundremmingen C, u. s. w. im Städtetag einfordern. Künftige Kernkraftwerke könnte man mit der Wiederaufarbeitung der Kernbrennstoffe und dem Betrieb einiger Schneller Brüter (in Frankreich gab es drei, zwei laufen seit Jahren in Russland) in Deutschland sogar nachhaltig betreiben, also ohne fossile Rohstoffe zu verbrauchen.
Wir bekommen immer wieder unsere französischen Nachbarn vorgehalten, die aufgrund ihres 70-80%igen Anteils der Kernenergie an der Stromerzeugung viel weniger CO2 ausstoßen als wir Deutschen es tun. Zudem macht es keinen Sinn, zuerst alle Kernkraftwerke in Deutschland endgültig abzuschalten, und dann noch alle Kohlekraftwerke abschalten zu wollen. Den gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Kernkraft können wir uns als exportabhängige Industrienation definitiv nicht leisten!
6) Planungspolitik:
Wissen, wer der Babo ist:
Die Stadt Karlsruhe ist in den vergangenen Jahren, unter anderem auch von der Architektenkammer, kritisiert worden, zu nachgiebig und zu schnell auf Forderungen von Investoren und Bauträgern bei wichtigen Großprojekten eingegangen zu sein. Dies zu Lasten von Qualität und Baukultur und damit zum Schaden nicht nur des Stadtbildes, sondern vor allem zu Lasten des Potentials eine „Stadt für Menschen“ zu sein, wie es Jan Gehl gerne bezeichnet.
Welche Kompetenzen und Werkzeuge beabsichtigen Sie einzusetzen, um die Stadt, Ihre Bewohner und der Baukultur vor gegenüberstehenden Interessen zu schützen?
In Planungsausschuss und im Gemeinderat war es in den letzten fünf Jahren immer häufiger zu beobachten, dass vorhandene Regelungen zu Gunsten des Investors oder Bauträgers in ihrer Auswirkung reduziert oder gar nicht durchgesetzt wurden. Hier sind also die Mitglieder des Planungsausschusses gefragt, die ja die Beratung im Gemeinderat vorbereiten. Da der Gemeinderat am Ende das letzte Wort hat, müssen die Fraktionen hier eine gewisse Disziplin an den Tag legen, sonst werden die Regeln mehr und mehr aufgeweicht, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Deshalb ist es auch das falsche Signal, wenn Rot-Rot-Grün – wie in den letzten Jahren immer wieder geschehen – aus ideologischen Gründen gewisse Regeln immer wieder aufgeweicht hat, wie die Vorgabe, in neu zu bauenden Wohngebäude mindestens einen Stellplatz pro Wohneinheit einzurichten. Die gültigen Regelungen sind aus guten Gründen eingeführt worden und dürfen nicht aus politischem Kalkül einfach so über Bord geworfen werden.
7) Arbeitsaufgabe: Sie brauchen Stift und Papier:
Das Loch ist zu, aber sind wir fertig?
Die neuen Adern von Karlsruhe sind fertig und pulsieren unter der Oberfläche. Aber was passiert direkt über Ihnen? Kaiserstraße, Durlacher Allee, Kriegstraße, Ettlinger Straße … – wir diskutieren zur Zeit über prestigeträchtige Einzelprojekte und das große Ganze, neue Höhen und der Bewahrung des Ist. Mut, Aufbruch und Tradition.
Wie sehen Sie Karlsruhe in zehn Jahren? Wir bitten um eine Skizze und eine kurze Erklärung.
Aus der Aufforderung, eine Skizze zu zeichnen, schließe ich, dass Sie erwarten, dass ich in den nächsten 10 Jahren weitere Großprojekte in der Stadt realisiert haben möchte. Das Gegenteil ist der Fall, meine Vorstellung ist daher folgende:
Die Innenstadt von Karlsruhe ist schon lange keine Großbaustelle mehr. Die neu gestaltete Kaiserstraße lädt zum Flanieren ein. Die Innenstadt ist für die Besucher gut erreichbar, egal ob sie mit ihrem Pkw, dem Fahrrad oder mit der Straßenbahn kommen. Die Zeiten des erhobenen Zeigefingers, in der die rotgrüne Gemeinderatsmehrheit die Bürger zur Nutzung der „richtigen“ Verkehrsmittel erziehen wollte, sind vorbei. Neue Radwege werden abseits der großen Straßen angelegt. Die Fertigstellung der zweiten Rheinbrücke steht kurz bevor, so dass sich die Verkehrsströme neu ordnen.
Neue Wohnquartiere entstehen auf Flächen mit Vornutzungen im Zuge des Flächenrecyclings, so dass eine Versiegelung von bisher unbebauten Flächen weitgehend vermieden werden kann.
8) Abschluss:
Wer fordert, darf auch gefordert werden:
Was erwarten Sie von den Karlsruher Planerinnen und Planern und auch der Architektenkammer in den kommenden Jahren?
Ich erwarte von unseren Planern, dass sie nicht tagespolitischen Tendenzen folgen, sondern das machen, was sie besonders gut können und was ihr gesellschaftlicher Auftrag ist: Pragmatisch für lange Nutzungszeiträume planen und dabei für die Bürger und die Gäste dieser Stadt die besten Lösungen erarbeiten und das Stadtbild bewahren. Denn der Mensch, seine Bedürfnisse und sein Wunsch nach Kontinuität sollten im Fokus der Planung stehen.